Gruselige Zustände zu Halloween

Ihr braucht ein Motto für eure Halloweenparty oder Gruselgeschichten? Dann braucht ihr gar nicht weit in die Welt der Geister zu blicken. Welcome to Planet Earth in October 2019 und den gruseligen Lebenden.

Während die meisten sich alle Jahre wieder zu Halloween als ‘Sexy-Irgendwas’ verkleiden, gruseln wir uns vor der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage. Nach dem Anschlag in Halle gab es einen breiten Medienaufschrei und es wird wieder darüber diskutiert, dass Antisemitismus in Deutschland strukturell bedingt sei. Neben dieser antisemitischen Tat weisen wir allerdings auf den Mord Walter Lübkes hin und auf viele andere Fälle, die eindeutig zeigen, dass es sich hier nicht um ein Einzelphänomen handelt. Antisemitismus und Rassismus sind Phänomene, die seit Jahrhunderten in unserer Gesellschaft verankert sind und bis heute das Leben vieler Menschen einschränken und bedrohen.

Auch betonen wir, dass dies kein Problem der AfD und sogenannter Rechtsradikaler ist. Auf den Schulhöfen ist “du Jude” als Schimpfwort weit verbreitet. Antisemitismus und Rassismus sind wieder gesellschaftstauglich geworden. Beispielhaft ist auch das Versagen des Familienministeriums, welches den Nazi-Aussteiger*innenverein ‘Exit’, also eine strukturelle Maßnahme zur Entnazifizierung, nicht mehr fördern will. Wir sehen das äußerst kritisch und stellen uns diesen Entwicklungen entschieden entgegen. 

Am 26. Oktober trafen sich Vertreter*innen der sogenannten Neuen Rechten in Marburg in den Räumen der völkischen Burschenschaft Germania zu Marburg. Die Veranstaltung trug den Titel “Junges Europa”. Als Referenten angekündigt waren Thor von Waldstein, ein rechtsextremer Publizist und Anwalt, der unter anderem den Holocaust-Leugner Fred Leuchter vor Gericht vertrat, der italienische Philosoph Diego Fusaro und John Hoewer, Vorstandsmitglied der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) in Sachsen-Anhalt. Dieses Treffen zeigt, dass rechtes Gedankengut wieder Normalität bei einigen Studierenden wird. Doch in Marburg hat sich Widerstand formiert. Das Marburger Bündnis gegen Rechts rief zu Gegenprotesten unter dem Motto “Nazivillen dicht machen! Europa entnazifizieren, in Marburg anfangen!” auf.
Des Weiteren haben bei der Wahl in Thüringen 30% der unter 27 jährigen die AfD gewählt, wenn das euch noch nicht gruselig genug ist, können wir ja mal über unsere Landesgrenzen hinaus schauen und einen Blick auf unsere Freund*innen in Rojava werfen.

In Rojava, einem von Kurd*innen autonom geführten Gebiet in Nordsyrien, startete das türkische Militär am 09. Oktober eine Militäroffensive, die sich ganz klar in Erdogans Feindschaft mit Kurd*innen begründet. Diese Offensive ist nach Meinungen vieler Regierung und unserer völkerrechtswidrig und wird teilweise sogar als Völkermord, mindestens aber als ein geplanter Bevölkerungsaustausch angesehen. Die Umstände sind auf den geplanten umfangreichen Abzug des US-Militärs durch US-Präsident Trump zurückzuführen, wodurch Türkei und Russland die Kontrolle über das Gebiet erlangen können. Die Kurd*innen der YPG, welche zuvor mit dem US-Militär gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) gekämpft haben, wurden nun an die Truppen Erdogans ausgeliefert. Sinnbildlich für das vorherrschende neoliberale Weltbild sind jedoch nicht alle Truppen abgezogen worden. Ein paar wenige “beschützen” weiterhin die Ölfelder in dieser Region. Der Krieg des IS und die im allgemeinen sehr angespannte Lage in Syrien und dem Irak haben in den letzten Jahren zu massiven Fluchtbewegungen in Richtung Europa geführt, mit denen die EU nicht anders umzugehen wusste und wollte, als Hinterzimmerdeals mit Libyen und der Türkei auszuhandeln. Und genau hierin begründet sich das mangelnde europäische Engagement zum Schutz der Kurd*innen in Rojava. Die Angst vor Erdogan ist zu groß, wenn die EU die Kurd*innen unterstützt, kündigt er dann unsere Deals auf? Was würden wir nur ohne politisch geschützten Menschenhandel tun? Auch ohne den Krieg in Rojava und dem Deal zwischen der libyschen Küstenwache und der EU kommen täglich Boote mit Geflüchteten auf den griechischen und italienischen Inseln an. Die Zustände in den Auffanglagern sind katastrophal. Beispielsweise wurden einige Kindergärten nach den griechischen Sommerferien nicht wieder geöffnet, sodass insbesondere Kinder mit Fluchterfahrungen ihre Rechte nach der UN-Kinderrechtskonvention kaum wahrnehmen können. Und allgemein stellt sich die Frage, was für Rechte noch vorhanden sind, wenn man auf einer Insel knapp hinter den europäischen Außengrenzen, aber eben auch nicht so richtig darin, hinter Gitterzäunen festsitzt und darauf wartet, eventuell einen Platz in der “Festung Europa” zu erhalten.

Unsere solidarischen Grüße gehen auch an diejenigen, die seit nun fast 3 Jahren versuchen den Brexit zu verhindern. Zudem rufen wir alle Studierende Großbritanniens auf, am 12. Dezember für Europa wählen zu gehen, auch wenn Eure Winterferien dann bereits begonnen haben! In einer solidarisch-weltoffenen Gemeinschaft liegt unsere Zukunft. Natürlich gilt es hier bestehende undemokratische Strukturen in der EU zu kritisieren, aber dies sollte gemeinsam geschehen. Und bei dem Begriff der Zukunft geht es gruselig weiter:

Der Klimawandel, der wie ein Damoklesschwert über allen Generationen schwebt. Doch tut unsere Regierung all dem nichts oder zu wenig ab. Das Klimapaket ist ein Paketchen, was falsch und zu spät geliefert wird. An der Bezahlung kann es aber hier nicht liegen. Im Gegensatz zu den wirklichen Paketlieferant*innen. Denn hier fehlt wohl ganz klar der politische Wille. Der Einfluss von Lobbyverbänden auf unsere Politik scheint größer zu sein, als die wachsende Bewegung, die für eine ökologische Zukunft eintritt. Während es mit Schüler*innen angefangen hat, die für eine nachhaltigere Klimapolitik auf die Straße gingen, ist es nun keine Frage mehr der Generationen. Berufs- und Wissenschaftsverbände unterstützen die Forderungen der Schüler*innen und unterstützen die Bewegung, die für einen Wandel in der Politik eintritt, um die ökologischen Ressourcen unseres Planeten zu schützt.

Die Liste an gruseligen Zuständen lässt sich sicherlich noch um Einiges erweitern. Sie soll jedoch nicht zur Resignation aufrufen. Im Gegenteil, wir rufen Euch dazu auf, Euch zu engagieren! Tretet ein für Eure Welt. Im Kleinen oder im Großen, egal welche Thematiken.
Solidarisch und gemeinsam können wir vieles erreichen, auf das wir uns nächstes Halloween ‘nur noch’ vor dem Kommerz gruseln müssen.

Happy Halloween!

Quellen:

1: srv.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.3265.de.html?mdm:audio_id=776685
2: taz.de/Aussteigerprogramm-fuer-Nazis/!5631129/?goMobile2=1570752000000
3: hessenschau.de/politik/proteste-gegen-treffen-von-rechten-in-marburg-angekuendigt,proteste-marburg-rechte-100.html
4: tagesschau.de/ausland/trump-syrien-119.html

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1 Kommentar zu „Gruselige Zustände zu Halloween“

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